Zum 150. Geburtstag von Rabbiner Leo Baeck
Online-Gespräch mit Prof. Dr. Yaniv Feller und Prof. Dr. Christian Wiese
Leo Baeck (1873 – 1956) war einer der bedeutendsten Vertreter der deutsch-jüdischen Tradition des 20. Jahrhunderts. Zum 150. Geburtstag sprechen wir mit Prof. Dr. Yaniv Feller und Prof. Dr. Christian Wiese über das Leben und Werk des liberalen Rabbiners, Gelehrten und Repräsentanten der deutschen Jüdinnen und Juden während des Nationalsozialismus.
Leo Baeck sprach und schrieb über die Pharisäer, jüdische Erziehung, Maimonides und viele weitere Themen. Nach dem Holocaust erschien als sein letztes großes Werk „Dieses Volk. Jüdische Existenz“ (1955). Zeit seines Lebens setzte sich Baeck auch mit christlicher Religion und Theologie auseinander. Als Antwort auf Adolf von Harnack verfasste er „Das Wesen des Judentums“ (1905), charakterisierte den Protestantismus als „Romantische Religion“ (1922) und untersuchte „Das Evangelium als Urkunde der jüdischen Glaubensgeschichte“ (1938). Nach der Schoa engagierte sich Leo Baeck als Brückenbauer und im beginnenden christlich-jüdischen Dialog.
▪ Wie wurde Leo Baeck in seiner Zeit wahrgenommen?
▪ Wie lesen ihn jüdische und christliche Denker:innen heute?
▪ Welche Themen prägen die aktuelle Forschung zu Leo Baeck und dem deutschen Judentum bis zur Schoa?
▪ Welche Ansätze bieten seine Gedanken zu Judentum, Christentum und ihrem Verhältnis für den christlich-jüdischen Dialog der Gegenwart und Zukunft?
Über diese und weitere Fragen sprechen wir am 24. Mai, 18.30 Uhr mit Prof. Dr. Yaniv Feller und Prof. Dr. Christian Wiese.
Yaniv Feller wird in seinem Kurzvortrag „Leo Baecks Vermächtnis an die deutsch-jüdische Philosophie“ in Baecks Biografie einführen und dessen Denken im historischen Kontext nachzeichnen – mit besonderer Rücksicht auf den Zusammenhang von deutschen kolonialen Fantasien und deutsch-jüdischem Denken. Der Vortrag wirft dabei ein neues Licht auf unbekannte und nicht oft diskutierte Themen wie Baecks Idee von Mission und dem Wert jüdischer geistiger Kraft als Gegenmittel zu imperialistischer Macht. Diese Interpretation, behauptet Feller, führt zu einem neuen Nachdenken über die deutsch-jüdische philosophische Tradition, aus der Baeck stammte.
Christian Wiese wird in seinem Kurzvortrag „Ein unerhörtes Gesprächsangebot: Leo Baecks dialogische Herausforderung an das Christentum“ zeigen, dass Baeck wie kaum ein anderer jüdischer Denker des frühen 20. Jahrhunderts religionsphilosophisch die Ebenbürtigkeit des Judentums gegenüber dem Christentum geltend gemacht und zugleich Wege zu einem konstruktiven Dialog beider Religionen aufgezeigt hat – vielfach ohne Resonanz in der christlichen Theologie. Der Vortrag beleuchtet Baecks Gegenüberstellung des „Wesens“ von Judentum und Christentum im zeitgeschichtlichen Kontext vor und während der Zeit des Nationalsozialismus, insbesondere auch seine streitbare Deutung Jesu von Nazareth und des Paulus im Horizont jüdischer Glaubensgeschichte. Ein weiterer Akzent liegt auf seinen Perspektiven für einen jüdisch-christlichen Dialog nach der Shoah.
Foto: Cover von "Dieses Volk", Werkausgabe, Band 2, Gütersloher Verlagshaus, 1996 © privat